Zukunft kreativ gestalten
Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat einen großen Anteil am psychischen und ökonomischen Wohlbefinden der Menschen hierzulande. Corona hat die Branche stark getroffen. Warum die Berufe dennoch Zukunft haben, hat PUBLIC-Bildungsexpertin Laura Pöschel im Gespräch mit Berufsberater Holger Gabbatsch erfahren.
Holger Gabbatsch ist Berufsberater für Abiturienten bei der Agentur für Arbeit in Hildesheim
Foto: Bundesagentur für Arbeit
Kultur findet momentan vornehmlich im digitalen Raum statt. Museen, Theater, Kinos und Galerien sind geschlossen und Erinnerungen an Konzerte und Festivals, auf denen man sich dicht gedrängt den musikalischen Klängen hingibt, scheinen aus längst vergangenen Zeiten zu stammen. Dass Kultur lebenswichtig ist und welchen Stellenwert sie im Alltag normalerweise einnimmt, stellt mancher möglicherweise erst fest, wenn das scheinbar Selbstverständliche plötzlich nicht mehr zugänglich ist. So vielfältig wie sich das kulturelle Leben hierzulande in nicht-pandemischen Zeiten präsentiert, so zahlreich sind auch die Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft und somit auch die möglichen Berufsfelder. Zu ihnen zählen die Musik-, Design- und Filmwirtschaft, der Buch- und Kunstmarkt, die Rundfunkwirtschaft, die Software- und Games-Industrie, der Markt für darstellende Künste sowie die Bereiche Architektur, Presse und Werbung. Wer also nach der Schule „irgendwas mit Kultur“ machen möchte, sollte sich zunächst überlegen, welcher Bereich den eigenen Fähigkeiten und Interessen am meisten entspricht. Das bestätigt auch Holger Gabbatsch, Berufsberater für Abiturienten bei der Hildesheimer Arbeitsagentur: „In der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt es weder ,den‘ großen Arbeitgeber noch ,den‘ einen Studiengang. Am Anfang des Berufsfindungsprozesses geht es deshalb darum, die Richtung zu bestimmen. Dabei kommt es selbstverständlich nicht darauf an, eine lückenlose Planung des Berufsweges vorzunehmen, aber man sollte sich klar machen, in welche Branche man einsteigen und wie man arbeiten will.“ Möchte man praktisch arbeiten und beispielsweise selbst auf der Bühne stehen? Oder ist man lieber hinter den Kulissen im Kulturmanagement oder der Kulturvermittlung tätig? Auf diese und weitere Fragen gilt es, Antworten zu finden. Damit sollte man so früh wie möglich anfangen, denn Aufnahme- und Eignungsprüfungen stellen in vielen praxisorientierten Studiengängen in den Bereichen Kunst und Kultur eher die Regel als die Ausnahme dar. Im Unterschied zu anderen Studienbereichen muss man hier also schon ein gewisses fachspezifisches Können beweisen, noch bevor man den ersten Hörsaal von innen gesehen hat. Viele Universitäten und Hochschulen im Bereich Gestaltung bieten zum Beispiel unverbindliche Mappenberatungen an, bei denen sich Interessenten über die Erwartungen der jeweiligen Studiengänge informieren können. Gabbatsch rät, diese Chancen zu nutzen und empfiehlt eine proaktive Haltung. Weil es zwischen Schule und Studium durchaus Unterschiede in Bezug auf die Inhalte künstlerisch-kreativer Fächer gebe, sei es wichtig, sich vor der Immatrikulation umfassend zu informieren. Die Bundesagentur für Arbeit stellt Schulabgängerinnen und Schulabgängern mit „Check-U“ ein Erkundungstool zur Verfügung, das anhand psychologisch fundierter Tests ein persönliches Kompetenzprofil erstellt. „Check-U“ bietet zudem eine Ausbildungsplatzbörse und Studiengangsuche, die durch das Dickicht an unterschiedlichen Berufsperspektiven navigieren. „Das Erkundungstool ist optimal, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen“, stellt Gabbatsch heraus. Wenn der Schulabschluss näher rückt und die Vorstellungen in Bezug auf die eigene Zukunft noch unklar ist, können sich die Schulabgängerinnen und Schulabgänger von morgen auch direkt an die Berufsberaterinnen und Berufsberater der Arbeitsagentur wenden. Momentan werden die Beratungen vornehmlich telefonisch oder per Video über eine besonders gesicherte Internetverbindung durchgeführt. Zahlreiche weitere Informationen zur Studien- und Berufswahl finden sich zudem auf der Website der Bundesagentur für Arbeit. Wer schon einen Schritt weiter ist und den persönlichen Wunschstudiengang bereits gefunden hat, kann im dort ebenfalls angebotenen „Studicheck“ überprüfen, ob die eigenen Stärken und Fähigkeiten zu den Anforderungen des jeweiligen Studienfachs passen. Teilweise werden solche Angebote auch von den Hochschulen selbst gemacht. So ist es im Studieninformationsportal der Universität Hildesheim möglich, die persönlichen Erwartungen und Kompetenzen mit den realen Anforderungen im Studium abzugleichen. Diese und weitere Fragen beantworten außerdem die Fachstudienberater der jeweiligen Hochschule. Neben fachlichem Können sei es im Kulturbereich vor allem wichtig, einen „gewissen Hang zur Selbstdarstellung“ zu besitzen, erklärt Gabbatsch: „Man sollte sich selbst und die eigenen Produkte gut vermarkten können, um sich in Anbetracht der oft großen Konkurrenz behaupten zu können.“ Außerdem sei eine Toleranz für Unsicherheiten und Unwägbarkeiten von Bedeutung: Anders als in vielen anderen Studiengängen sind Berufswege in den Bereichen Kunst und Kultur selten vorgezeichnet. Oftmals wird zeitlich befristet im Rahmen von Projekten gearbeitet, der Anteil an Selbstständigen ist groß. Darüber hinaus sollte man auch regional und fachlich flexibel sein und die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen mitbringen: In den vergangenen Jahren hat die Digitalisierung auch Einzug in den Kunst- und Kulturbereich erhalten und führt hier beispielsweise zu einer wachsenden Vielfalt an Medien. Haben Journalistinnen und Journalisten früher nur für die gedruckte Zeitungsausgabe geschrieben, so sind sie heute auch für die Webpräsenz zuständig, produzieren Podcasts oder betreiben Blogs und pflegen die Auftritte in den sozialen Medien. „Die Digitalisierung hat zu einer Zunahme an Aufgaben in vielen künstlerisch-kreativen Berufen geführt. Einige Berufsfelder, beispielsweise das Gamedesign, konnten durch die neuen technischen Möglichkeiten sogar erst entstehen. Aus diesem Grund kann der Blick auf den Kunst- und Kreativbereich immer nur eine Momentaufnahme darstellen. Möglicherweise existieren in einigen Jahren Berufe, an die man heute noch nicht denkt“, weist Gabbatsch auf die Dynamik des Berufsfelds hin. Ein solides Grundstudium sei deshalb empfehlenswert. Mit den dort erworbenen Kenntnissen könne man sich schnell in neue Bereiche einarbeiten, so der Berufsberater. „Die Entscheidung für einen Studiengang ist außerdem nicht gleichbedeutend mit der Entscheidung für einen Beruf. Ein Studium kann oftmals der Türöffner für ganz unterschiedliche Berufswege sein“, führt Gabbatsch aus. Und weil Wege bekanntermaßen dadurch entstehen, dass man sie geht, sollten Studierende so oft wie möglich einen Blick über den Tellerrand wagen. Praktika, Nebenjobs oder auch die Tätigkeit als Hilfskraft an der Universität sorgen für erste Praxiserfahrungen. Außerdem helfen sie dabei, sich der eigenen Stärken bewusst zu werden und eine genauere Vorstellung von der eigenen beruflichen Zukunft zu entwickeln. Auch wenn die Kultur- und Kreativwirtschaft von der Corona-Pandemie stärker getroffen ist als andere Branchen, ist Gabbatsch überzeugt, dass Berufe in diesem Bereich eine Zukunft haben. „Im Lockdown haben viele gemerkt, was fehlt und wie wichtig Kunst und Kultur sind. Außerdem sind in dieser Zeit neue Formate entstanden, beispielsweise Online-Konzerte oder Opernaufführungen, die man im eigenen Wohnzimmer verfolgen kann. Corona hat hier in gewisser Weise auch einen Innovationsmotor dargestellt und dazu angeregt, kreative Lösungen zu finden.“ Und wenn die Pandemie erst einmal vorüber ist, wird das kulturelle Leben sicher auch wieder im analogen Bereich aufblühen.
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